Wunsch und Wirklichkeit

Selten hat ein Kommentar so viele, teils heftige Reaktionen hervorgerufen wie der von Sebastian Heiser in der taz zur Zusammenlegung der Redaktionen von BILD und B.Z. in Berlin. Auf newsroom.de etwa finden sich zustimmende wie auch ablehnende Meinungen.

Im Kern geht es darum, ob Journalisten, die bei der Springer-Boulevardpresse arbeiten, wegen ihres Jobverlusts bedauert werden sollten. Nein, sagt Sebastian Heiser und begründet das mit den Arbeitsmethoden dieser Kolleginnen und Kollegen. Er geht dabei von einem ethischen Anspruch aus, den viele Journalisten an sich und andere stellen.

Nun lassen sich die Methoden von BILD & Co. sicherlich infrage stellen, und gerade was die Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder die unangemessen sensationshungrige Berichterstattung angeht, müssen die Kaufzeitungen (nicht nur von Springer) häufiger Kritik vom Deutschen Presserat über sich ergehen lassen als Zeitungen, die als seriös empfunden werden und sich selbst so empfinden.

Aber seien wir doch mal ehrlich zu uns selbst: Wie oft drehen wir Geschichten aus der BILD weiter oder übernehmen die Weiterdrehen und oft auch nur unreflektierten Weitergaben durch die Nachrichtenagenturen? Müssten wir nicht immer sagen: “Nein, diese sehr wahrscheinlich mit Methoden, die gegen den Pressekodex verstoßen, erlangten Informationen verbreiten wir nicht.”?

Was machen wir aber in den meisten Fällen? Wir vertrauen trotz aller – echter oder vorgeblicher – Abscheu gegen die Unmoral der BILD-Journalisten auf die Ergebnisse ihrer Recherchen und ärgern uns manchmal sogar, dass nicht wir es waren, die diese oder jene Geschichte entdeckt haben.

Geschichten zu entdecken und beharrlich und systematisch zu recherchieren – das ist ein wesentliches Merkmal, das Journalisten auszeichnet. Ich meine sogar: Es ist das wesentlichste, denn es macht uns erst zu Journalisten.

Daran sollten wir immer denken, wenn wir wieder mal über Kolleginnen und Kollegen die Nase rümpfen, deren Arbeitsmethoden wir nicht mögen, wohl aber aus den Ergebnissen ihrer Arbeit Nutzen ziehen.

 

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